
Comic & Illustration
Graphic Novels, Mangas, Comics – hier dreht sich alles um die Welt der illustrierten Geschichten.
3 Lesetipps

Duell in den Bergen
Jean-Marc Rochette: Der Wolf
Knesebeck, 102 Seiten, 22,- €
Jean-Marc Rochette: Der Wolf
Knesebeck, 102 Seiten, 22,- €
Er oder ich? Mensch oder Tier? In einem einsamen Alpental erschießt der Schäfer Gaspard eine Wölfin, ihren Welpen lässt er jedoch am Leben. Aber auch Gaspard muss Beute machen, um in der wilden Bergwelt zu überleben. Der junge Wolf wird groß und stark – und nimmt dem Schäfer alles, was er hat. Gaspard sucht nach Rache und gerät in Lebensgefahr. Jean-Marie Rochettes packende Graphic Novel „Der Wolf“ erzählt vom ewigen Kampf des Menschen mit der Natur. Der französische Comicautor und Zeichner fesselt mit kraftvollem Strich, einer klugen, konzentrierten Story und der Erkenntnis, dass die Natur unser aller Lebensgrundlage ist. (ds)

„Irmina“ – ein Frauenleben im „Dritten Reich“
Barbara Yelin: Irmina
Reprodukt, 288 Seiten, 14,90 €
Barbara Yelin: Irmina
Reprodukt, 288 Seiten, 14,90 €
Graphic Novel bieten Platz für große Geschichten. Dies beweist Barbara Yelin mit ihrem Buch „Irmina“, den sie selbst „Comicroman“ nennt. Sie erzählt die Geschichte ihrer Großmutter Irmina, die in den 1930er Jahren nach London geht und dort ihren dunkelhäutigen Freund vor rassistischen Anfeindungen in Schutz nimmt. Geldnöte treiben sie nach Deutschland zurück. Sie heiratet einen NS-Mann, wird selbst zur Mitläuferin, die vor den Verbrechen der Nazis mehr und mehr die Augen verschließt. „Irmina“ ist ein mitreißendes, grandios gezeichnetes Meisterwerk, das vom Alltag und vom Opportunismus im „Dritten Reich“ handelt. (ds)

Die Monster in mir
Emil Ferris: Am liebsten mag ich Monster
Übersetzt von Torsten Hempelt. Panini, 420 Seiten, 39,- €, ab 14 Jahre
Emil Ferris: Am liebsten mag ich Monster
Übersetzt von Torsten Hempelt. Panini, 420 Seiten, 39,- €, ab 14 Jahre
Die kleine Karen zeichnet Monster und Vampire in ihr Spiralblock-Tagebuch und hält als Werwolf-Mädchen ihr Leben im Elendsviertel von Chicago der 1960er Jahre fest. Als ihre jüdische Nachbarin erschossen aufgefunden wird, spürt die Zehnjährige dem Fall nach, der sie jäh mit Gräueln des Holocaust konfrontiert. Mit ihrem grandiosen Debüt – kürzlich ausgezeichnet mit dem Max und Moritz-Preis „Bester internationaler Comic“ – hat Emil Ferris ein Gesamtkunstwerk geschaffen, das Familiendrama, Zeitgeschichte, Mystery, Coming of Age, Kunst und Comic mühelos vereint und die Graphic Novel in ganz neue künstlerisch-literarische Sphären führt. (ana)
Im Fokus: Comics für Kinder
Lesespaß und jede Menge Abenteuer
Kurze Dialoge, knappe Texte, Bilder, die das Verständnis der Inhalte leicht machen: Comics vermitteln Lektürevergnügen – gerade bei Leseanfängern. Aber auch geübtere Kinder schätzen die Bildgeschichten.
Eine junge Serie aus dem Reprodukt Verlag ist die „Hundebande“. Das Abenteuer „Die Hundebande in Paris“ führt die Vierbeiner in die Seine-Metropole, wo sich das Rudel immer wieder verirrt und dabei an vielen Sehenswürdigkeiten vorbeikommt. Funktioniert als unterhaltsamer, lustiger Comic genauso wie als Reiseführer für Kinder.

Dorothée de Monfreids: Die Hundebande in Paris
Reprodukt, 40 Seiten, 16 €, ab 3
Mit „Liebe Schwester“ oder „Liebe Mitbewohnerin“ beginnen die Briefe eines Jungen an seine Schwester, von der er sich meist nur genervt fühlt. Er schreibt ihr, wie sehr er es hasst, ihr immer dasselbe Buch vorlesen zu müssen, oder warum sie nicht in sein Baumhaus darf; aber auch, wie sehr ihn der Wegzug seines besten Freundes trifft. Die Nachrichten sind oft voller Wut und Frust, später auch Zuneigung. So lässt Alison McGhee in „Liebe Schwester. Briefe an meine kleine Nervensäge“ ein wundervolles Bild von Geschwisterliebe entstehen – warmherzig, witzig und äußerst unterhaltsam.

Alison McGhee, Joe Bluhm: Liebe Schwester. Briefe an meine kleine Nervensäge
Knesebeck, 192 Seiten, 14 €, ab 8
In „Manno! Alles genau so in echt passiert“ berichtet Anke Kuhl in komischen, berührenden Episoden von ihrer Kindheit – vom Kartenspielen mit Opa über Streitereien mit ihrer Schwester bis zur Schwärmerei für TV-Stars. In vielem können sich kleine wie erwachsene Leser wiedererkennen. Und am Ende des Comics will man einfach noch mehr davon ...

Anke Kuhl: Manno! Alles genau so in echt passiert
Klett Kinderbuch, 136 Seiten, 16,- €, ab 7
Das alltägliche Familienchaos setzt sich fort in Lilli L’Arronges „Familienbande“. Die Illustratorin und Autorin schildert die Mühen, Kinder aus dem Bett oder an die frische Luft zu bekommen. Die knappen Kapitel sind äußerst witzig und schildern die Gefühlsschwankungen der Kinder (in diesem Fall zwei Schwestern) ebenso wie die manchmal vergeblichen Versuche der Eltern, die Kontrolle zu behalten.

Lilli L’Arronge: Familienbande
Jacoby & Stuart, 72 Seiten, 15,- €, ab 4
Ein cooler Comic für die Älteren ist „Spider-Man liebt Mary Jane“, ein neuer Band um einen der Marvel-Superhelden: Wir blicken auf die Anfangsjahre der Comicfigur zurück, als dem Spinnenmann nicht nur das Böse, sondern auch der Herzschmerz schwer zu schaffen machte und er zudem Stress in der Familie und der Schule hatte.

Sean McKeever, Takeshi Miyazawa (Ill.): Spider-Man liebt Mary Jane: Highschool-Drama
Panini, 269 Seiten, 19,- €, ab 14
Apropos Superhelden: Im Oktober erscheint mit „Peanuts!“ der ultimative Sammelband für alle Fans von Charlie Brown, Snoopy und Peppermint Patty. Zum Jubiläum der legendären Comicserie von Charles M. Schulz bietet der Prachtband auf mehr als 500 Seiten die besten Abenteuer aus sieben Jahrzehnten „Peanuts“.

Charles M. Schulz: Peanuts!
Carlsen, 544 Seiten, 79,- €, ab 7 – erscheint im Oktober
Text: Guido Heyn
Buchempfehlung
Glanz und Tragik
In einer umwerfenden Graphic Novel haben Bernard Swysen und Bruno Bazile jetzt das turbulente Leben des großen Komikers und Stummfilmstars Charlie Chaplin ins Bild gesetzt.
Es gibt wohl kaum jemand, der den Tramp nicht kennt, Charlie Chaplins melancholischen Vagabunden mit dem schwarzen Schnurrbärtchen, der kleinen Melone, dem wirbelnden Spazierstock und diesem charakteristisch watschelnd-tänzelnden Gang. Aber wer kennt eigentlich den Mann hinter dieser Figur, mit der er so oft in eins gesetzt wird?
Wer weiß schon, dass Chaplin in bitterarmen Verhältnissen in England aufwuchs, dass seine Mutter, eine Tänzerin und Sängerin, ihn und seinen Bruder Sydney allein durchbringen musste und immer wieder mit Wahnvorstellungen und Depressionen in die Psychiatrie eingewiesen wurde? Wer weiß, dass Chaplin, der den sanften Tramp geschaffen hat, so perfektionistisch war, dass er sich als Regisseur und Produzent oft regelrecht tyrannisch aufführte? Oder dass seine große Schwäche für hübsche, junge Frauen ihm eine Menge Ärger einbrachte?

Bernard Swysen Bruno Bazile (Ill.): Chaplin – Ein Leben für den Film
Übersetzt von Julika Herzog.
Panini, 88 Seiten, 20,- €
Auch von seinen Jahren im Schweizer Exil und von seinem Bruch mit den USA, die ihn unter anderem wegen angeblicher kommunistischer und antiamerikanischer Umtriebe unter Anklage gestellt hatten, haben sicher viele noch nie gehört. Der Autor Bernard Swysen und der Comiczeichner Bruno Bazile haben jetzt das Kunststück vollbracht, Chaplins an ungeheuren beruflichen Erfolgen, aber auch an Tragik und Skandalen reiches Leben in eine umwerfende Graphic Novel zu gießen. Einfühlsam und kenntnisreich leuchten sie auf rund 90 großformatigen Seiten und in raffiniert komponierten Panels alle Winkel dieses Lebens aus und zeigen den großen Stummfilm-Künstler, das Jahrhunderttalent Charlie Chaplin in seinem ganzen Glanz und in seiner ganzen Komplexität. Für alle, die es noch genauer wissen wollen, gibt es im Anhang eine ausführliche Filmografie und viele Fotos von Chaplin und seinem Film-Ich, dem Tramp.
Text: Frauke Schneider
Im Porträt: Alcante, Laurent-Frédéric Bollée und Didier Rodier
Die Tragödie von Hiroshima
Auf 470 Seiten erzählt die Graphic Novel „Die Bombe“ die Geschichte der Atombombe, die vor 75 Jahren die japanische Stadt Hiroshima traf. Fünf Jahre lang haben Alcante, Laurent-Frédéric Bollée und Denis Rodier an ihrem Meisterwerk gearbeitet.
Denis Rodier. Foto: Olivier Galli

Alcante. Foto: Olivier Galli

Laurent-Frédéric Bollée. Foto: Olivier Galli

„Die berühmte Aioi-Brücke? Hab im ganzen Krieg kein schöneres Ziel gesehen…!“ Es ist 8.15 Uhr Ortszeit, als der Pilot des US-Bombers sein Ziel erreicht und Major Thomas Ferebee hinter ihm die Bombe mit dem Spitznamen „Little Boy“ über der japanischen Stadt Hiroshima ausklinkt. Unten läuft gerade eine Frau mit ihren zwei kleinen Kindern über die Straße. Sie winken einem Mann zu, der auf der Treppe vor einem Gebäude sitzt. Dann die Explosion, die alles zerstört, alles mitreißt, das Höllenfeuer, das alles verbrennen und schmelzen lässt.
Die Geschichte des ersten Atombombenabwurfs ist bekannt – und wird nun zum ersten Mal in einer Graphic Novel erzählt. Fünf Jahre lang haben der belgische Comic-Autor Alcante, sein französischer Co-Autor Laurent-Frédéric Bollée und der kanadische Comiczeichner und Maler Denis Rodier an ihrem gewaltigen Werk „Die Bombe“ gearbeitet. Die Autoren sichteten in Tausenden Arbeitsstunden Bücher, Artikel und Dokumentationen – Material, das ihnen den Stoff für die Szenen ihres Buchs liefern sollten. „Bis in die Morgenstunden wurde gearbeitet: erzählerische Lösungen wurden diskutiert, Szenen wieder und wieder umgeschrieben, Fakten überprüft, von vorne begonnen, da waren die Storyboards, die Vorzeichnungen, das Tuschen ... Es nahm kein Ende!“ So beschreibt Alcante im ausführlichen Nachwort ihr Teamwork. Die drei Männer verlangten sich höchste Sorgfalt ab, Daten, Personen, Örtlichkeiten, Bauwerke, Fahrzeuge, Uniformen – alles sollte stimmen.

Alcante, Laurent-Frédéric Bollée, Didier Rodier (Ill.): Die Bombe – 75 Jahre Hiroshima. Die Entwicklung der Atombombe.
Carlsen, 472 Seiten, 42 Euro
Die Katastrophe des Atombombenabwurfs ereignet sich erst auf Seite 400, schließlich soll das Buch die ganze Geschichte dieser fürchterlichen Waffe erzählen: wie es dazu kam, welche Personen untrennbar mit ihr verbunden sind.
„Die Bombe“ beginnt im tiefen Schwarz mit der Entstehung der Erde vor mehr als vier Milliarden und dem Satz „Am Anfang war das Nichts“. Und dann ist es das Uran selbst, das spricht: „Auf dieser Erde war ich zunächst nicht mehr als ein geschmolzenes Gestein unter vielen, vielleicht zahllosen anderen. Dennoch hatte ich das unbestimmte Gefühl, dass ich zu Großem bestimmt war.“ Danach der Sprung ins 20. Jahrhundert, und auch hier mischt sich das Uran als unheimlicher Kommentator immer wieder in die Geschichte ein.
Die großartige Graphic Novel erzählt von Wissenschaftlern, Emigranten und Politikern. Von Kriegstreibern und von Menschen, die versucht haben, den Einsatz der Bombe doch noch zu verhindern. Man taucht ein in verschiedene Welten und Schauplätze, blickt hinter die Kulissen der Macht. Die ebenso komplexe wie packend erzählte Geschichte wird getragen von Denis Rodiers prägnanten, kantigen Zeichnungen, die dem Werk eine phänomenale Wucht verleihen.
Text: Daniel Seitz
Im Gespräch: Anna Haifisch
„Die deutsche Szene ist recht konservativ“
Anna Haifisch hat bereits Comics für das MoMa und das „Vice“-Magazin gezeichnet. Dieses Jahr wurde die Leipzigerin als beste deutschsprachige Comickünstlerin vom Internationalen Comic-Salon Erlangen ausgezeichnet. Im Interview spricht sie über ihren Werdegang und die deutsche Comic Szene.

© Matthew James-Wilson
Wie bist du zum Comiczeichnen gekommen?
Anna Haifisch: Durch Druckgrafik. Ich habe viel in Serien gearbeitet, meistens 3-4 Blätter. Irgendwann hat das nicht mehr zum Erzählen gereicht. Außerdem hab ich schon immer Comics geliebt. Als ich 14 war, fand ich „Approximate Continuum Comics“ von Lewis Trondheim und „Rhesusinkompatibilität“ von Jean-Christophe Menu wahnsinnig gut. Das hat mich sicherlich auch beeinflusst.

Anna Haifisch: Schappi
Rotopol, 92 Seiten, 20,- €
Du warst beteiligt an der Gründung von „The Millionaires Club“, einem Independent-Festival für Comics und Grafik. Was hat euch ermutigt das Festival auf die Beine zu stellen?
Wir sind 2012 zum „Grand-Salon Micro Édition“ nach Lyon gefahren. Es war ein fantastisches Chaos Mini Festival. So etwas wollten wir auch machen. Außerdem waren wir alle gerade aus der Kunsthochschule gestolpert und ziemlich arm. Aus lauter Verzweiflung hatte ich das Buch „How to Get Rich“ von Donald Trump gekauft. Naturgemäß war das Buch überhaupt nicht hilfreich, aber es lag eben auf dem Tisch, als wir uns getroffen haben, um zu überlegen, was wir jetzt machen. Der Name „The Millionaires Club“ ist leider Trump zu verdanken.
Von Anfang an haben wir uns als internationales Festival verstanden, weil wir das Gefühl hatten, dass die ganzen wilden Sachen woanders passieren. Die deutsche Szene war damals und ist bis heute recht konservativ. Ich denke, dass wir uns immer mehr Mut gewünscht haben und deshalb in Deutschland komplett unbekannte Künstler*innen einluden.

Anna Haifisch: The Artist – Der Schnabelprinz
Reprodukt, 112 Seiten, 18,- €
Mit dem „COZI Comic- & Zinefest“ gibt es auch in Frankfurt ein unabhängiges Festival. Gab es seit 2012 Veränderungen in der Szene?
Ich liebe das COZI! Zum Glück gibt es noch Leute, die Lust haben DIY Festivals zu organisieren. Das „Hungry Eyes Zinefest“ in Berlin und das „Comicfestival Hamburg“ sind die besten Dinge, die dem Independent Comic in Deutschland passieren können. Es tut sich gerade im Umfeld der Kunsthochschulen viel und ich freue mich, dass es so viele neue Kollektive und Kleinstverlage gibt.
Dieses Jahr wurdest du als beste deutschsprachige Comickünstlerin ausgezeichnet. Ein rasanter Aufstieg, wenn man bedenkt, dass „The Artist“ kaum fünf Jahre her ist. Worauf dürfen wir uns in Zukunft freuen?
Ehrlich gesagt, weiß ich auch oft nicht so genau, wie mir geschieht. Ich zeichne einfach weiter. Im Frühjahr 2021 wird der dritte Teil von „The Artist“ mit dem Titel „Eine Vogeloper in 11 Akten“ erscheinen. Es ist ein irrwitziges Projekt, ich habe keine Ahnung, ob das für irgendjemanden Sinn macht. Aber das denke ich eigentlich bei jedem Buch.
Interview: Heiko Schmelz
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