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Stefanie_Stahl

Frau Stahl, mit Ihren Büchern zu den Themen Liebe und Selbstliebe bzw. Selbstakzeptanz scheinen Sie den Nerv der Zeit getroffen zu haben. Sind wir heutzutage selbstreflektierter, setzen wir uns mehr mit uns selbst und unseren eigenen Wünschen auseinander? Und wenn ja, ist das gut und warum?

Stefanie Stahl: Tatsächlich werden die Menschen selbstreflektierter. In den jüngeren Generationen interessieren sich auch immer mehr Männer für das Thema „persönliche Weiterentwicklung“. Das ist gut und wichtig. Der Mensch besteht aus seinem Körper und aus seiner Psyche, auch Geist genannt. Beides gehört untrennbar zusammen. Man kann deswegen eigentlich nur sehr erstaunt sein, dass die Reflexion der eigenen psychischen Vorgänge nicht zu den allergrößten Selbstverständlichkeiten eines jeden Menschen gehört. Wären alle Menschen reflektiert, dann hätten wir eine viel bessere Welt. Deswegen ist die Selbstreflexion eine politische Notwendigkeit und sollte von der ersten Klassen an Unterrichtsfach sein.

 

Was sind Ihrer Meinung nach die „Zutaten“ für ein glückliches, erfülltes Leben –  ob man allein lebt (und das auch mag) oder in einer Beziehung? Was kann man ganz konkret selbst tun?

Stefanie Stahl: Eine der wichtigsten Zutaten ist, dass man sich nicht mit falschen Botschaften identifiziert, die man in seiner Kindheit und Jugend erhalten hat. Millionen Menschen sind unglücklich, weil sie fälschlicherweise meinen, sie genügten nicht und wären weniger wert als andere. In den meisten Fällen gehen diese falschen Glaubenssätze auf die eigene Erziehung zurück. Diese Glaubenssätze als das zu erkennen, was sie sind: Nämlich eine Fehlprogrammierung! und sie durch positivere Sätze zu überschreiben, ist ein ganz wichtiger Schritt. Ansonsten darf man das Gehirn sich selbst nicht beim Denken überlassen. Es tendiert nämlich immer ins Negative, das haben wir der Evolution zu verdanken. Also bewusst darüber nachdenken: Was läuft gut? Wofür bin ich dankbar? Was habe ich schon geschafft? Und das Allerwichtigste: Das Leben genießen, wo es nur geht. Wenn ich nämlich gut drauf bin, bin auch ein besserer Mensch. .

 

Liebe und Geborgenheit auf der einen Seite, der Wunsch nach Freiheit und Selbstverwirklichung auf der anderen – viele Menschen spüren diese Zerrissenheit. Wie kann ich das für mich lösen, wie finde ich meine persönliche Freiheit, ohne auf Beziehungen verzichten zu müssen? Und wie kann ich mir Freiräume schaffen?

Stefanie Stahl: Die Freiheit findet allein im Kopf statt. Menschen, die überzeugt sind, für eine Liebesbeziehung müsste man viele Kompromisse eingehen, haben eine ungünstige Prägung in ihrer Kindheit bekommen. Sie mussten sich für die Liebe ihrer Eltern zu viel anpassen. Sie tragen sinngemäß den Glaubenssatz in sich: Wenn ich will, dass Du mich liebst, muss ich Deine Erwartungen erfüllen. Dieses alte und häufig unbewusste Programm übertragen sie auf ihre aktuellen Beziehungen – sie meinen, für einen Partner ihre eigenen Bedürfnisse verleugnen zu müssen. Sie denken: Entweder bin ich frei oder in einer Beziehung. Menschen, die diese Prägung nicht aufweisen, fühlen sich frei und in einer Beziehung. Das ist der feine Unterschied. Letztere verhalten sich in einer Beziehung authentisch, auch was ihre Wünsche und Bedürfnisse angeht. Und gerade, weil sie das Gefühl haben, sich frei entscheiden zu können, gehen sie gern und freiwillig auch mal einen Kompromiss ein.

 

Herzlichen Dank für das Gespräch, Frau Stahl.

 

Die BRGITTE LIVE-Veranstaltung mit Stefanie Stahl findet am 19. Oktober von 15.00 bis 16.00 Uhr im Frankfurt Pavilion statt und ist für alle Messe-Besucher frei. Mehr Informationen unter www.brigitte.de/live.

Foto: © Roswitha Kaster