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“Smarte Daten sind im Profifußball auf dem Vormarsch!”

Interview mit Steilvorlagen-Sprecher Prof. Dr. Ralf Lanwehr

Prof. Dr. Ralf Lanwehr

„To binary or not to be — Sinnvolle digitale Führung” — mit dieser ungewöhnlich betitelten Keynote beginnt Professor Dr. Ralf Lanwehr, Professor für internationales Management der Fachhochschule Südwestfalen, die Steilvorlagen-Tagung. Sie findet am 11. Oktober auf der Frankfurter Buchmesse (10.-14. Oktober 2018) statt und richtet sich an Information Professionals. Also an alle, die in informationsverarbeitenden Berufen arbeiten, wie z.B. Consultants, Unternehmensberater, Verantwortliche für Wettbewerbsbeobachtung, Informationsmanager, Marktforscher, Marketingmanager u.v.m. Vorab ein paar Fragen zum Thema digitale Führung, Datenkomplexität und was das alles mit Fußball zu tun hat.

1. Herr Professor Dr. Lanwehr, was bedeutet digitale Führung konkret in einem Unternehmen? Deutsche Konzernchefs fallen nicht unbe

Es wäre ja auch verwunderlich, wenn Deutsche Konzernchefs als digitale Vorreiter auffallen würden. In dieser Rolle sehe ich eher jüngere Leute und da DAX-Vorstände im Schnitt älter als 50 sind, reagieren sie halt auf das, was sie von Dritten so mitbekommen. Wenn ich mich mit meiner 11-jährigen Tochter vergleiche, bin ich auch nicht unbedingt ein digitaler Vorreiter.

Gleichwohl glaube ich aber, dass den meisten deutschen Firmen durchaus bewusst ist, dass sich mit der digitalen Revolution auch neue Herausforderungen für Führungskräfte verbinden. Nur ist noch in vielen Organisationen unklar, worum es sich dabei genau handelt.

Ich würde vier Themen nennen, welche bei der Führung in digitalen Kontexten besondere Wichtigkeit aufweisen:

  • Führung auf Distanz
  • Umgang mit immer kürzeren Innovations- und Veränderungszyklen
  • Führung einer verunsicherten Belegschaft
  • Umgang mit steigender Konnektivität und damit verbunden die Überwindung von Abteilungs- und Silodenken

Wenn man sich in diesen Punkten einigermaßen wiederfindet, ist die Lösung doch schon ein gutes Stück näher. Schließlich lassen sich die genannten Punkte wunderbar trainieren.

 

2. Sie wenden Machine Learning nicht nur in Unternehmen sondern auch im Profifußball an — wie muss ich mir das vorstellen?

Im Profifußball gibt es die ungewöhnliche Situation, dass die Spieler überragend viel Geld verdienen. In der ersten Bundesliga reden wir über durchschnittlich knapp zwei Millionen Euro pro Spieler pro Jahr — Tendenz steigend. Entsprechend interessiert sind die Clubs an neuen Technologien, welche sich mit der Sichtung, Auswahl, Entwicklung und Gesunderhaltung der Spieler auseinandersetzen.

Ob im Talent Management, in der Vorhersage zukünftiger Leistungsentwicklung, im internationalen Scouting, in der taktischen Spielvorbereitung oder in der Zusammenstellung des Kaders: smarte Daten sind im Profifußball auf dem Vormarsch. Beispiele sind etwa die KI-basierte Steuerung der 30 Tonnen schweren Ballmaschine „Footbonaut“, die Vorhersage der Leistung von Nachwuchsspielern mittels Support Vector Machines, rein datenbasierte Marktwertschätzungen oder auch statistikgetriebene Taktikanalysen. Und die Entwicklung ist noch lange nicht am Ende angelangt.

3. Datenbezogene Themen sind momentan sehr angstbesetzt: z.B. unüberschaubare Big Data, der Facebook-Skandal oder Predictive Analy

Nein, denn natürlich verbinden sich mit den Möglichkeiten von Big Data auch diverse Risiken. Sie sprechen den Facebook-Skandal als Beispiel selbst an. Dort gab es jedoch immerhin illegale Handlungen, die juristisch bewertet und bestraft werden können. Die Grauzone außerhalb des bestehenden Rechts ist aber ebenfalls gewaltig. Um das anhand des Facebook-Skandals zu illustrieren: Stellen Sie sich vor, eine deutsche Firma würde eignungsdiagnostische Daten (also z.B. Persönlichkeitseigenschaften) ihrer Mitarbeiter mit deren Facebookprofilen und Leistungsdaten verknüpfen. Daraus ließe sich ein wunderbares Vorhersagetool bauen für die Prognose zukünftiger Leistungen sowie für die Bewertung von externen Bewerberinnen und Bewerbern. Wäre das ethisch in Ordnung? Warum? Warum nicht? Das sind komplexe Fragen.

Meines Wissens sind diese Themen aber zunehmend auf der Agenda von Politik, Institutionen und Verbänden. In der Wirtschaft beispielsweise entwickelt die deutsche Gesellschaft für Personalführung, Deutschlands führende Repräsentanz des Personalmanagement, gemeinsam mit Gewerkschaften und Spezialisten einen „code of conduct“, welcher bislang unklare Fragen gemeinschaftlich regelt. Zudem soll so nach meinem Verständnis eine Plattform etabliert werden für den Austausch über derlei Themen. Insofern: Nein, die Angst kann ich nicht komplett nehmen, aber es werden aktuell durchaus Lösungen entwickelt.

Generell wäre mein Ratschlag aber, sich nicht zu sehr auf die negativen Aspekte neuer Technologien zu versteifen. Bedenken sind wichtig, aber ein bisschen Optimismus schadet vielleicht auch nicht. Das „kölsche Jrundjesetz“ finde ich sehr sympathisch und da steht in den Paragraphen 1 bis 3: “Et es wie et es! Et kütt wie et kütt! Et hät noch immer jot jejange!” Bei aller berechtigen Sorge imponiert mir diese rheinische Sicht doch sehr.

4. Welche neuen Berufe können durch die wachsende Datenkomplexität entstehen?

Es gibt doch bereits haufenweise neue Berufe. Ich hatte neulich das Vergnügen, bei einem großen deutschen Automobilhersteller die Keynote bei den sogenannten „Big Data Infodays“ halten zu dürfen. Da sind dann locker 600 „Data Scientists“ vor Ort und das fand ich sehr beeindruckend. Diese Leute kümmern sich um all die Sensoren und Datenauswertungen, die bereits die heutigen Autos mehr oder weniger zu rollenden Smartphones machen. Diesen Trend gibt es ja auch in anderen Bereichen, die direkt den Menschen zugutekommen. Hinter Schlagworten wie „SmartCity“ und „SmartHome“ verbergen sich ganze Industriezweige mit Produkten, die es vorher nicht gab. Gemein ist diesen Jobs lediglich eine gewisse Neigung zu Zahlen und Computern. Irgendwann wird aber quasi alles in unserer Umwelt in der einen oder anderen Weise „smart“ sein — entwickelt durch Leute in neuen Berufen.

5. Was würden Sie dem Nachwuchs der Information Professionals für ihren Berufseinstieg empfehlen?

Beim Thema Information Professional bin ich ehrlicher Weise nur bedingt gut informiert. Wenn ich es richtig verstehe, dann fallen darunter so unterschiedliche Berufsgruppen wie die Pressesprecher aus der Unternehmenskommunikation, die nur sehr wenig mit Daten und IT zu tun haben, und zugleich die harten Data Scientists. Da fällt es mir schwer, einen übergreifenden Tipp zu geben. Ich versuche es dennoch mal: ein Verständnis von Daten und Informationen wird immer wichtiger. Wer sich damit noch nicht auseinandergesetzt hat und zugleich einen Job als Information Professional anstrebt, sollte sich ein wenig fortbilden. Mein diesbezüglicher Tip wäre datacamp.com. Das ist eine Plattform, die virtuelle Kurse anbietet. Auch diverse Newsletter oder Nachrichtenseiten sind sicherlich empfehlenswert, beispielsweise dataelixir.com und medium.com.

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