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Carlo Carrenho und Ama Dadson

© Carlo Carrenho, Ama Dadson

Frankfurt Audio rückt das gesprochene Wort ins Rampenlicht. Mit dem Audio Ambassador bietet die Buchmesse ihren Ausstellern und Fachbesucher*innen einen besonderen Service.  

Nach zwei Jahren als Audiobotschafter der Frankfurter Buchmesse übergibt Carlo Carrenho, Verlagsberater und Gründungsmitglied des Alpine Global Collective, diese Rolle an Ama Dadson, Gründerin und CEO von AkooBooks Audio. Im Interview sprechen sie über ihre persönliche Verbindung und ihren Hintergrund zum Audiomarkt, das Potenzial von künstlicher Intelligenz, Trends aus der Geschäfts- und Verbraucherperspektive und den afrikanischen und skandinavischen Audiomarkt. 

Carlo, als Audiobotschafter hast Du eine entscheidende Rolle dabei gespielt, Menschen aus der Verlags- und Audiobranche zusammenzubringen. Was gefällt Dir am Audiomarkt und an der Audiobranche? Gibt es einen besonderen Moment, der mit dieser Rolle verbunden ist und Dir immer noch im Gedächtnis bleibt?

Was ich am meisten mag, sind ehrlich gesagt die Menschen. Sie haben etwas Besonderes an sich. Sie sind lustig, offen und kontaktfreudig. In Frankfurt sind die beiden besten Partys - Mittwoch und Donnerstag - immer mit der Hörbuchszene verbunden, das sagt viel aus.

Hörbücher sind auch das „letzte Format“ in unserer Branche, das noch wächst und sich weiterentwickelt, was zukunftsorientierte Fachleute mit einer Startup-Mentalität und einem Drang zur Innovation anzieht. Egal, ob ich mit Leuten in Deutschland oder Schweden spreche, Ob in Argentinien oder in Afrika, die Audiobranche gehört zu den dynamischsten und kreativsten Verlagsbranchen. Die besten Partys auf der Frankfurter Buchmesse, die von Audio-Leuten veranstaltet werden, sind der beste Beweis dafür, nicht wahr?

Ein besonderer Moment, der mir in Erinnerung geblieben ist, passierte 2024: Am Samstag, bei meinem letzten Treffen auf der Messe, traf ich eine Gruppe aus Usbekistan, die hinter einer Plattform namens Mutolaa steht. Es ist faszinierend: Über eine Million Nutzer*innen bieten sowohl Hörbücher als auch eBooks kostenlos in usbekischer Sprache an. Ich war erstaunt über den Umfang und die Qualität, eine Region, die ich wirklich faszinierend finde. Das Team war unglaublich freundlich - es brachte sogar Geschenke aus Usbekistan mit. Es war eine extrem unerwartet-bereichernde Begegnungen.  

Ama, Du hast einen Hintergrund als Informatikerin und technische Innovatorin. Erzähl uns, wie Du ins Hörbuchgeschäft gekommen bist?  

Bücher sind auf unserem Weg zur Alphabetisierung unerlässlich. Für Millionen von Afrikanern auf dem Kontinent sind Bücher jedoch oft nicht verfügbar, unbrauchbar oder unerschwinglich.

Der Zugang zu Texten ist ein großes Hindernis für die Alphabetisierung. Meine Mutter, eine Kinderbuchautorin, hat mir das Lesen beigebracht, und der Grundstein für mein Unternehmen wurde vor über einem Jahrzehnt gelegt, als sie erblindete und ich nach einer Möglichkeit suchte, ihr afrikanische Bücher zugänglich zu machen.

Afrikanische Bücher gibt es nicht. Eine Seite des Problems ist der Zugang. Afrika steckt im analogen Verlagsmodell fest: schöne gedruckte Bücher auf Papier, teuer in der Herstellung, Verteilung und Lagerung. Mit AkooBooks Audio haben wir eine panafrikanische digitale Heimat für afrikanische Bücher geschaffen. Eine globale Storytelling-Plattform für die Generation Z und die Generation A der Millennials. Sie besteht aus einer webbasierten Plattform und mobilen Apps und wir vertreiben auch über große Hörbuchplattformen wie Spotify und Audible.

@beide: Der Einsatz und das Potenzial von künstlicher Intelligenz im Audiomarkt ist derzeit in aller Munde. Welche Chancen und Entwicklungen seht ihr in diesem Bereich?  

Ama: AkooBooks nimmt eine führende Position im Bereich KI-Narration ein, die wir als essentiell erachten, um ein produktiveres und effizienteres Unternehmen zu werden. Die KI-Erzählung als Teil unseres regulären Audioproduktionsprozesses trägt dazu bei, die Produktionskosten und die Zeit für die Produktion von Backlists afrikanischer Literatur zu senken. Wir nutzen Sprachinteraktion und maschinelles Lernen (ML), um Community-Tools für die Entdeckung von Büchern, für Rezensionen, für den Austausch von Informationen und für die Suche nach afrikanischen Büchern anzubieten. Wir haben eine Partnerschaft mit dem innovativen australischen Unternehmen BookBot für ein KI-Lesetutorenprogramm in Englisch mit ghanaischem Akzent und in lokalen Sprachen. 

Carlo: Ich glaube, dass die wirkliche Chance bei der KI-Erzählung darin liegt, kleinere Verlage zu befähigen - insbesondere solche, die in kleineren Märkten tätig sind oder mit „kleineren Sprachen“ arbeiten. Bis jetzt waren die hohen Produktionskosten ein großes Hindernis. Die Erstellung eines Hörbuchs erforderte erhebliche Vorabinvestitionen mit einem langen und ungewissen Weg zur Rentabilität. Für viele Verlage war das einfach unerschwinglich.

Die künstliche Intelligenz hat das Potenzial, dies zu ändern, indem sie die Einstiegskosten senkt und es den Verlagen ermöglicht, kostengünstiger zu experimentieren. Die Kosten müssen noch weiter sinken, um sie wirklich für alle rentabel zu machen, aber wir bewegen uns eindeutig in die richtige Richtung.

Ich sehe KI als eine Kraft der Demokratisierung in der Hörbuchbranche. Sie schafft Möglichkeiten für neue Akteure und lokale Hörbuch-Ökosysteme in Ländern und Sprachen, die bisher unterversorgt waren. Vielleicht ist das sogar noch spannender: Ich glaube, dass wir einen stärkeren Zustrom von Inhalten aus kleineren Märkten in größere Märkte erleben werden, und nicht nur das Gegenteil. So ist es beispielsweise wahrscheinlicher, dass estnische Verlage englischsprachige Hörbücher herausbringen, als dass britische Verlage Titel in lettischer Sprache produzieren. KI kann dazu beitragen, dass dies geschieht - sowohl durch das Erzählen als auch durch das Übersetzen.

Es wird immer Platz für hochwertige menschliche Sprecher geben, insbesondere bei hochwertigen Produktionen. Mit einer erschwinglicheren Alternative durch KI hat die Branche die Chance zu wachsen, sich zu diversifizieren und mehr Stimmen einzubeziehen.

@ beide: Hörbücher erfreuen sich immer größerer Beliebtheit, und es wird ein weiteres Marktwachstum in zahlreichen Ländern vorhergesagt. Welche Trends sehr ihr derzeit bei den Hörerpräferenzen und Produktionen?

Ama: Wenn es um den afrikanischen Markt geht: Hörbücher sprechen Afrikaner an, weil wir afrikanische Geschichten mit unserer eigenen Stimme erzählen und damit einen Teil von uns ansprechen, der sich nicht nur mit dem Geschichtenerzählen identifiziert, sondern sich auch mit ihm verbindet, da es uns an Folklore und mündliche Traditionen erinnert, die langsam verblassen.

Um einige Trends zu nennen: Kurze Formen und episodisches Hören sind beliebt, da dies bequeme Möglichkeiten sind, Inhalte regelmäßig zu hören. Ziele zu erreichen und Erfolg zu haben ist für junge Afrikaner wichtig, was bedeutet, dass Selbsthilfe- und Geschäftsbücher beliebt sind, die ihnen helfen, ihre Ziele zu erreichen und ihre Produktivität zu steigern. Auch Biografien sind beliebt, denn junge Erwachsene suchen Inspiration, Trost und die authentische Wahrheit aus Lebenserfahrungen anderer Menschen.

Carlo: Da ich mich hauptsächlich mit den geschäftlichen Aspekten des Verlagswesens und der Hörbuchbranche befasse, beobachte ich vor allem Trends in Bezug auf Geschäftsmodelle und Formate.

Der erste große Trend ist das Aufkommen von Abonnementmodellen. Da Spotify immer weiter nach Europa expandiert - zunächst in die Benelux-Länder und jetzt auch in die DACH-Märkte - sehen wir, dass Abonnements das dominierende Modell werden. Es ist nicht das unbegrenzte Modell, das wir aus Skandinavien kennen, aber es bewegt sich immer noch weg vom à la carte Verkauf. Die Verbraucher bevorzugen eindeutig die Bequemlichkeit und den Wert von Abonnements, und ich glaube, dass die Zukunft der Branche in Abonnements als Standardmodell liegt, das im Idealfall auch für die Verlage wirtschaftlich ist.

Der zweite große Trend ist die Konvergenz von Hörbüchern und Podcasts. Aus der Sicht des Verbrauchers verschwimmen die Grenzen zwischen beiden zunehmend. Ein Buch, das in Episodenform veröffentlicht wird, und ein Podcast mit narrativer Struktur fühlen sich oft wie ein und dasselbe Produkt an. Diese Konvergenz könnte zu einigen Reibungen führen - zumal Podcasts traditionell mit der Monetarisierung zu kämpfen haben -, aber Abonnementmodelle könnten helfen.

Ein weiterer Trend sind die Überschneidungen zwischen den Genres. Wahre Krimis zum Beispiel sind sowohl als Podcasts als auch als Hörbuch-Krimis sehr beliebt. Das zeigt, wie eng die Vorlieben der Hörer bei diesen Formaten beieinander liegen. Ich denke, wir bewegen uns auf ein fließenderes Konzept des Hörspiels zu - weniger auf strenge Kategorien, mehr auf Hörerlebnisse.

Ama, Dein Audiounternehmen ist in Ghana ansässig und konzentriert sich auf Hörbücher aus verschiedenen afrikanischen Ländern. Kannst Du uns etwas mehr über (die neuesten Entwicklungen auf) dem afrikanischen Hörbuchmarkt erzählen?  

Ama: In Ost- und Westafrika erfreuen sich Podcasts mit mehreren Moderatoren und Interviews zu einer Vielzahl von Themen großer Beliebtheit und erweisen sich als Einstieg in das Hörbuch. In Westafrika gibt es nur wenige unabhängige Hörbuchfirmen.  

Nordafrika ist führend auf dem afrikanischen Hörbuchmarkt und expandiert in die arabischsprachigen Märkte. Große Anbieter wie Storytel haben ihre Präsenz in der arabischsprachigen Welt, einschließlich Ägypten, Tunesien und Marokko, ausgeweitet, und es gibt einen wachsenden Trend zu afrikanischen Verlagen, die ihre eigenen Hörbücher produzieren.

Südafrika verfügt über einen dynamischen Hörbuchmarkt, der auf die Präsenz großer globaler Verlagshäuser zurückzuführen ist, darunter Penguin Random House South Africa, Jonathan Ball Publishers, Oxford University Press South Africa und Pan Macmillan South Africa. Sie sind dabei, ihre Audiokataloge auf diesen Märkten zu erweitern.

Welche Entwicklungen beobachtest Du in Schweden (oder Skandinavien), wo du ansässig bist, Carlo?

Schweden und Skandinavien werden beide oft als ein überreifer Hörbuchmarkt bezeichnet. Der Grad der Marktdurchdringung ist bemerkenswert. In Schweden haben etwa eine Million Haushalte ein Hörbuchabonnement, was bei einer Bevölkerung von nur 10 Millionen eine enorme Zahl ist. Die übrigen Länder der Region, darunter Norwegen, Dänemark, Island und insbesondere Finnland, weisen ähnliche oder sogar höhere Verbreitungsraten auf.

Zum Vergleich: Im Jahr 2024 waren 62 % aller Buchverkäufe in Schweden im Audioformat. Wenn wir also von „neuen Entwicklungen“ in einem so fortgeschrittenen Markt sprechen, stellt sich die Frage: Gibt es überhaupt noch Raum für Wachstum?  

Eine wichtige Entwicklung ist der bevorstehende Eintritt von Spotify in den skandinavischen Hörbuchmarkt. Das Unternehmen hat aktiv Personal eingestellt, und es sieht so aus, als stünde eine Markteinführung unmittelbar bevor. Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder wird der Markteintritt von Spotify zu einem Wachstum des Gesamtmarktes führen - was alle Boote anhebt, wie es optimistisch heißt - oder er könnte zu einem intensiven Wettbewerb führen, der den bestehenden Anbietern einfach Marktanteile wegnimmt.

In jedem Fall wird es faszinierend sein zu beobachten, was passiert, wenn eine globale Plattform in einen Markt eintritt, der bereits hoch entwickelt ist. Ich glaube, dass der Rest der Welt Skandinavien genau beobachten sollte, da es oft einen Vorgeschmack auf das gibt, was in anderen Regionen kommen wird.

@beide: Und zu guter Letzt: Gibt es ein Hörbuch (/Hörprojekt), an dessen Entwicklung ihr beteiligt wart oder das ihr erst kürzlich gehört habt und empfehlen würdet, reinzuhören?

Ama: Ich bin sehr begeistert von unserer Apollo Africa Audio Kollektion. Sie bringt die kultige Apollo Africa: African Writers Series - veröffentlicht von Black Star Books, Head of Zeus, Teil von Bloomsbury Publishing Plc - direkt vom Buch auf die Ohren.

Sie wurde in Zusammenarbeit mit den besten Aufnahmestudios des afrikanischen Kontinents und darüber hinaus produziert und präsentiert dynamische, zeitgenössische schwarze und afrikanische Sprecher. Unsere Eröffnungsreihe präsentiert 12 Titel aus Ghana, Nigeria, Sierra Leone und Südafrika - und wir können es kaum erwarten, dass Sie sie hören!

Carlo: Anstatt ein einzelnes Hörbuch zu empfehlen, möchte ich ein breiter angelegtes Audioprojektmodell hervorheben - vor allem, wenn es um Inhalte für Kinder geht: Lautsprecherboxen.

In vielen Märkten ist es eine Herausforderung, Hörbücher für Kinder zu etablieren. Selbst in hörbuchstarken Regionen wie Skandinavien ist das Wachstum von Kinderhörbüchern weit hinter dem von Erwachseneninhalten zurückgeblieben. Aber Lautsprecherboxen - im Grunde genommen spielzeugähnliche Geräte, die Hörbücher abspielen - haben begonnen, dies zu ändern. Sie sind lustig, haptisch und kinderfreundlich und bieten ein Erlebnis, das über das reine Zuhören hinausgeht.

Das bekannteste Beispiel ist Tonies, das in Deutschland großen Erfolg hat und auf den westlichen Märkten rasch expandiert. Weitere Beispiele sind Yoto to, mit Sitz im Vereinigten Königreich und starker Präsenz in Frankreich, und FABA in Italien.

Diese Boxen eignen sich hervorragend als Geschenk und sind eine der wenigen wirklich erfolgreichen Möglichkeiten, Kinder auf ansprechende Weise an Hörbücher heranzuführen. Sie fördern nicht nur die Hörgewohnheiten, sondern bilden auch die nächste Generation von Hörbuchhörern.

Vielen Dank für das Interview!

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Mehr über Frankfurt Audio: https://www.buchmesse.de/themen-programm/fachprogramm/themen/frankfurt-audio

Interview von Ines Bachor, PR-Managerin der Frankfurter Buchmesse