„Die beste Werbung für das Buch bleibt ein verkauftes Buch!“
Lars Birken-Bertsch von Kay Itting
© Kay Itting
(Dieses Interview erschien erstmalig im BuchMarkt am 04.07.2019(Öffnet neues Fenster).)
Heute Vormittag gab die Frankfurter Buchmesse bekannt(Öffnet neues Fenster), dass Aussteller ab diesem Jahr nicht nur wie bisher am Messe-Sonntag, sondern auch am Messe-Samstag ihre Bücher und Medien verkaufen dürfen. Wir haben bei Lars-Birken Bertsch, Director Business Development DACH bei der Frankfurter Buchmesse, nachgefragt, wie es zu der Entscheidung gekommen ist – und was sie für Buchhändler und Verlage bedeutet.
Herr Birken-Bertsch, warum gibt die Messe nun auch den Samstag für den Buchverkauf frei?
Lars Birken-Bertsch: „Dieses Thema begleitet uns ja schon einige Jahre. Und zuletzt hat eine große Mehrheit der Verlage sowie die IGuV und der Verlegerausschuss darauf gedrungen, hier doch eine branchenkonforme Lösung zu finden. Aus diesem Grunde wurde Anfang des Jahres eine spartenübergreifende Taskforce eingesetzt. Das jetzt vorliegende Konzept für den erweiterten Buchverkauf am Publikumswochenende basiert auf den Empfehlungen und Erkenntnissen dieser Taskforce. In diesem Rahmen wurde z.B. schnell klar, dass eine zentrale Messebuchhandlung für Frankfurt keine gute Lösung sein kann.“
In der Pressemitteilung dazu heißt es, die Messeleitung käme mit der Entscheidung den Wünschen „zahlreicher Verlage“ nach … Was ist aber mit dem Handel?
„Die Bedenken aus dem Handel haben alle Beteiligten sehr ernst genommen. Im Übrigen ist das Hauptargument unserer Aussteller aber die Kundennähe: Es geht primär um den Service an den Leserinnen und Lesern, weniger um den Umsatz. Es wird zunehmend schwieriger, den Besucherinnen und Besuchern zu vermitteln, warum sie auf der Messe nicht kaufen können und dürfen. Uns erreichen dazu jedes Jahr viele Beschwerden. Und aus einer Besucherbefragung wissen wir, dass es der überwiegenden Mehrheit unserer Besucherinnen und Besucher am Wochenende wichtig ist, Bücher kaufen zu können.“
Aber droht dem Buchhandel nicht durch den zusätzlichen Verkauf auf der Messe, einiges an Umsatz verlorenzugehen?
„Wir können davon ausgehen, dass die meisten Käufe auf der Buchmesse Spontankäufe sind und damit dem Buchhandel nicht verloren gehen. Neben den gezielten Käufen bei Veranstaltungen und Signierstunden, die es ja bisher auch schon gab. Das dargebotene Sortiment auf der Messe ist zudem einzigartig in seiner Vielfalt und Breite. Diese Breite kann im Buchhandel naturgemäß gar nicht abgebildet werden. Ich denke, dass dies gerade für die kleineren Verlage und ihre Programme eine große Chance ist, besser wahrgenommen zu werden. Und bedenken Sie, wenn die Besucher nicht spontan kaufen können, ist schnell das Smartphone gezückt und der 1-Click Button gedrückt. Oder der Kunde, obwohl er sich den Titel notiert oder abfotografiert hat, kauft das Buch hinterher doch nicht in seiner Buchhandlung. In beiden Fällen wäre dem Buchhandel ja auch nicht geholfen. Und die beste Werbung für das Buch bleibt ja ein verkauftes Buch!“
Wie kann der Handel denn partizipieren?
„Die Einbindung des Sortiments wird von vielen ausstellenden Verlage sehr erfolgreich schon am Sonntag praktiziert, vor allem von den größeren, und kann nun auch auf den Samstag ausgedehnt werden. Ziel soll es sein, möglichst viele Buchhandlungen für die Betreuung und Abwicklung des Buchverkaufs an den Verlagsständen zu gewinnen. Für mittlere und große Verlage wünschen wir uns das, aber auch kleinere verkaufsstarke Aussteller sollten diese Option in Betracht ziehen. Ich glaube, dieses integrative Moment birgt viel Potential für Kooperationen und wir können verstärkt den Buchhandel in das Messegeschehen einbinden. In den vergangenen Wochen kamen immer wieder Buchhandlungen auf uns zu mit der Frage, wann denn nun die Entscheidung gefällt wird, sie würden bei ihrem Lieblingsverlag anfragen wollen. Ebenso Verlage, die schon eine Buchhandlung im Auge hatten. Das bestärkt unsere Hoffnung auf den Erfolg dieses Ansatzes.“
Wie funktioniert das mit den von den Verlagen „individuell organisierten“ Buchverkäufen konkret?
„Wie gesagt, die meisten Aussteller haben ja schon Erfahrung mit dem Verkauf am Sonntag gesammelt und dies bislang auch schon in Eigenregie durchgeführt. Darauf setzen wir. Entsprechend sollten sie jetzt den Mehraufwand für das „lange Wochenende“ einplanen: Ware, Personal, Kasse etc. Auch das Überdenken der Standgestaltung kann dazu gehören: Wie will ich mich präsentieren am Wochenende? Oder können wir das mit einer Buchhandlung gemeinsam inszenieren?
Viele Händler aus dem ganzen Land bieten ihren Kunden organisierte Reisen zur Messe an: Wenn diese sich dann dort mit Büchern eindecken, wo bleibt der Anreiz solcher Reisen für Händler?
„Das Engagement der Buchhändlerinnen und Buchhändler, die Gruppenreisen zur Frankfurter Buchmesse organisieren, bleibt sehr wichtig – sie bieten ihren Kunden durch diesen Service ein Alleinstellungsmerkmal. Die Kunden schätzen und suchen das gemeinsame „Erlebnis Buchmesse“, und diese Nachfrage wird bleiben. Ebenso bleiben unsere umfänglichen Angebote für Gruppenreisen selbstverständlich bestehen. Es gibt – auch aus der Branche – zu diesem Thema eine Reihe von Anregungen, unter anderem hat Holger Ehling sich auf boersenblatt.net dazu zu Wort gemeldet. Wir sondieren diese Ideen und sind zuversichtlich, dass sich hier gute Ansätze finden.“
Die erweiterten Einkaufsmöglichkeiten seien ein „wichtiges Signal in die Branche“, wird Messe-Direktor Juergen Boos in der Pressemitteilung zitiert. Wie ist dieses Signal zu deuten?
„Wir stehen als Branche dort bereit, wo unsere Kunden sind – auch auf der Messe! Der Servicegedanke am Kunden, das Kauferlebnis in einem emotional hoch aufgeladenen Umfeld wie der Buchmesse, das alles zahlt insgesamt auf die Branche ein. Wir reden gerade wieder viel über Customer Experience und Erlebniswelten und die Buchmesse ist mit Sicherheit dafür ein Leuchtturm. Dieser Aspekt sollte am Publikumswochenende in Frankfurt ganz im Vordergrund stehen.“
Die neuen Regularien für den Buchverkauf sind eingebettet in die diesjährige Kampagne unter dem Motto „Inspiration. Auf der Messe und 365 Tage in der Buchhandlung“. Was steckt hinter dem Slogan?
Wir haben lange nach dem richtigen Dreh gesucht: Wie können wir im Rahmen der Messe die Botschaft des Sortiments mittransportieren? Dabei war uns dann schnell klar, dass es nur über den verbindenden Inhalt geht. Deshalb die Aussage: ‚Inspiration findest Du heute hier auf der Messe – aber auch und vor allem das ganze Jahr in deiner Buchhandlung um die Ecke!‘
Da wir wussten, dass die Kolleginnen vom Börsenverein an einer Neuausrichtung von JETZT EIN BUCH! arbeiten, konnten wir uns abstimmen und Synergien herstellen. Die Kampagne läuft jetzt auch unter dem gemeinsamen Hashtag #BUCHMOMENT und wir integrieren auch das Logo von JETZT EIN BUCH! Und da die Kampagne auch unser Jahresmotiv wird, werden wir sie großflächig ausspielen durch Megaposter vor und auf der Messe. Mit der Papiertragetasche, die wir auf der Messe kostenlos an die Stände verteilen, gelangt die Message dann bis in die heimischen Wohnzimmer …“
Ausführliche „Ausstellerinformationen zum erweiterten Buchverkauf“ gibt es unter www.buchmesse.de/service/buchverkauf(Öffnet neues Fenster).
(Dieses Interview erschien erstmalig im BuchMarkt am 04.07.2019(Öffnet neues Fenster).)