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Axel Scheffler

© Liam Jackson

Axel Scheffler ist einer der bekanntesten Kinderbuch-Illustratoren weltweit. Seine Bücher – vom „Grüffelo“ bis „Pip und Posy“ – erreichen Kinder in über hundert Sprachen. Im Oktober spricht er auf der Frankfurt Kids Conference über die Verantwortung von Kinderbüchern in einer fragilen Welt. Im Interview erzählt er, warum Freundlichkeit keine naive Idee ist, wie subtil Geschichten Haltung zeigen – und warum sein neues Buch „Willkommen“ ein Zeichen gegen Ausgrenzung setzen will. 

1. Herr Scheffler, „Der Grüffelo“ hat weltweit Millionen Kinder erreicht – auch in Ländern, in denen Kinderbücher zunehmend zensiert werden. Was bedeutet das für Sie als Illustrator? Und wie gehen Sie mit dem Wissen um, dass Bilder und Geschichten politisch vereinnahmt oder unterdrückt werden können?

Die Geschichte von Maus und Grüffelo hat ein gewisses subversives Element: ein kleines, schwaches, bedrohtes Wesen überlistet ein großes, starkes, bedrohliches Wesen und rettet mit Hilfe einer Notlüge sein Leben. Wobei das Monster nicht böse ist, sondern nur hungrig. Anscheinend hat aber noch niemand an dieser Botschaft Anstoß genommen.

Natürlich sehe ich die Zensur von Kinderbüchern besonders in den USA mit großer Sorge, auch wenn meine Bücher bisher nicht davon betroffen sind. Wie ich mit dem Wissen umgehe? Ich nehme es wahr, wie so viele schlimme Entwicklungen der letzten Zeit und fühle mich relativ machtlos.  

Ich hoffe, dass meine Bücher einen Einfluss auf Kinder haben - nicht nur, dass sie Kinder zum Lesen bringen, sondern auch, dass die oft eher subtilen ‘messages” von Julia Donaldson’s Bücher ankommen. Denn häufig geht es bei Julias Geschichten darum, jemanden in Not zu helfen, Solidarität zu zeigen und Abgrenzungen zu überwinden („Für Hund und Katz ist auch noch Platz”, „Riese Rick”, „Die Schnetts und die Schmoos”).  

In dem neuen Buch „Willkommen. Ein Buch über Freundschaft(Öffnet neues Fenster)” (Erscheinungsdatum: 17. Juli 2025; Verlag Beltz & Gelberg) geht es noch direkter darum, niemanden auszugrenzen, Fremde willkommen zu heißen, und hilfreich und empathisch zu sein. Die Erlöse kommen der Wohltätigkeitsorganisation „Three Peas” zugute, die sich vor allem um Geflüchtete in Griechenland kümmert. Ich hoffe, dass das Buch damit auch ein Zeichen in Gesellschaften setzt, wo das “unwillkommen” en vogue ist. 

2. Sie arbeiten seit Jahrzehnten international von London aus – Ihre Bücher werden in über 100 Sprachen gelesen. Wie verändert das Ihren Blick auf Themen wie Vielfalt, Inklusion oder Zensur in der Kinderliteratur? 
Ich kann natürlich nicht genau verfolgen, wie es meinen Büchern in all diesen Ländern ergeht. Mein Eindruck ist jedoch, dass in Großbritannien das Bemühen der Verlage um Diversität und Inklusion schon früher ausgeprägt war, als etwa in Deutschland.

Meine „Pip und Posy“ Bücher sind sehr erfolgreich in China und verkaufen sich millionenfach. Da gibt es natürlich ein Dilemma, weil China ein Land ist, in dem es viele Menschenrechtsverletzungen gibt. Eigentlich wäre es mir vermutlich lieber, wenn meine Bücher dort nicht erscheinen würden. Da es aber in der Volksrepublik in der Vergangenheit Bestrebungen gab ausländische, westliche Bücher nicht zu veröffentlichen - also diese zu zensieren - gibt es gute Argumente für die Veröffentlichung der Bücher dort. Die Werte, die die „Pip und Posy” Bücher vermitteln, haben hoffentlich auch einen positiven Einfluss auf die Kinder dort.

3. Viele Ihrer Figuren – von der Hexe bis zum Grüffelo – sind Außenseiter. Warum zieht es Sie zu diesen Figuren? Und was sagen sie über unsere Welt aus, gerade heute?  

Da ich für die Themen der Bücher keine Verantwortung trage, müsste die Frage eher an meine Autorin Julia Donaldson gehen. Die Bücher sind zum größten Teil märchenhaft und greifen häufig auf die Figuren dieser Geschichten zurück. Wie bei Märchen können sich in den Geschichten menschliche und auch aktuelle Themen verstecken. Die Hexe und Grüffelo sind dabei an verschiedenen Enden des Spektrums zu finden: Die Hexe ist ja eine sehr nette, hilfsbereite Figur, deren Freundlichkeit belohnt wird, wenn die Tiere sie aus größter Not vor dem Drachen (auch hungrig, nicht böse!) retten. Der Grüffelo ist für die Maus eine lebensbedrohliche Gefahr - sie kann sich aber durch ihre List selbst retten und in Frieden ihre Nuss verzehren.

4. Kinderbücher können trösten, erklären, provozieren. Was sind aus ihrer Sicht ihre wichtigsten Eigenschaften in einer fragilen Welt?  

Die Welt war ja immer schon ziemlich fragil und auch das ist ein sehr relativer Begriff. Für viele Kinder ist die Welt viel fragiler als für andere. Ich finde, dass Bücher, und darunter besonders Kinderbücher, enorm wichtig sind. Durch sie können sich Kinder in dieser Welt orientieren, sie erfahren – und das auf die unterschiedlichsten Arten und Weisen. Bücher bereichern das Leben der Kinder und dienen auch dazu, Werte zu vermitteln. Ich glaube daran, dass Literatur in der fragilen Welt Trost und Festigkeit vermitteln kann. Es ist auch in Studien erwiesen, dass Kinderbücher beziehungsweise das Lesen auf dem individuellen Lebensweg helfen können, ein besseres, chancenreicheres Leben zu führen und auch in der Hinsicht mehr Halt in all der Fragilität bieten.  

5. Was erhoffen Sie sich persönlich von Ihrer Keynote auf der Frankfurt Kids Conference? Was möchten Sie dem internationalen Fachpublikum mit auf den Weg geben?

Ich vermute, dass das Publikum nicht vom Wert des Lesens überzeugt werden muss – ich hoffe also, dass ich im Oktober “offene Türen einrenne”. Ich hoffe, dass ich durch das Teilen meiner Erfahrungen auf der Keynote nicht die Verzweiflung über den Zustand der fragilen Welt erhärte - sondern vielleicht den gegenteiligen Effekt bewirken kann: Wir alle müssen versuchen, ein kleines bisschen in unserem Bereich zu tun.

Das Interview führte Frank Krings, PR-Manager bei der Frankfurter Buchmesse.  

Mehr über Axel Scheffler: https://axelscheffler.de/  (Öffnet neues Fenster)

Mehr Informationen über die Frankfurt Kids Conference: https://www.buchmesse.de/themen-programm/fachprogramm/themen/frankfurt-kids