Offenheit und Dialog: Deutscher Gastlandauftritt war Publikumsmagnet auf der Taipei International Book Exhibition
Die Bücher und Themen deutscher Autor*innen finden auf der Taipei International Book Exhibition (TIBE) 2019 große Resonanz
Aufarbeitung deutscher Geschichte, Fragen nach Schuld und Gerechtigkeit, Fake News als Geschäftsmodell, Künstliche Intelligenz – aber auch das 100-jährige Bauhaus Jubiläum, Graphic Novels und Illustrationsworkshops: Auf der Taipei International Book Exhibition, die am Sonntag zu Ende ging, standen „German Stories“ im Mittelpunkt. 13 deutsche Autor*innen - Dr. Regina Bittner, Theresia Enzensberger, Sebastian Fitzek, Arne Jysch, Marc-Uwe Kling, Miriam Meckel, Axel Scheffler, Wilhelm Schmid, Ronen Steinke, Stephan Thome, Holger Volland, Ferdinand von Schirach und Alexander von Schönburg – waren nach Taipei gereist und tauschten sich mit taiwanesischen Journalist*innen, Professor*innen und Autor*innen über die Themen ihrer Bücher aus. Sie trafen damit den Nerv des Publikums und stießen auf überwältigende Resonanz: Mit rund 100-120 Besucher*innen war jede Veranstaltung am Stand voll besucht; die Auftritte von Miriam Meckel, Axel Scheffler und Ferdinand von Schirach am „Theme Square“, der zentralen Veranstaltungsbühne, zogen jeweils mehrere Hundert Zuhörer*innen an. Im Anschluss an die Veranstaltung entspannten sich lebhafte Diskussionen zwischen dem Publikum und den Autor*innen. Die Buchhandlung am Stand, Sunny Books, verkaufte in der Messewoche über 500 deutsche Titel und verdoppelte damit ihren Umsatz im Vergleich zum letzten Jahr.
Deutsche Themen sind gefragt
James Chao, Chairman der Taipei International Book Foundation, erklärte: „Die meisten ausländischen Bücher, die in Taiwan veröffentlicht werden, kommen noch immer aus den USA oder aus Japan. Aber seit ein paar Jahren werden deutsche Autor*innen in Taiwan immer beliebter. Zum Beispiel wenn es um Geschichte geht, um gesellschaftliche Themen, oder auch um Erziehungsfragen. Wir beobachten, dass deutsche Themen in Taiwan inzwischen wichtiger geworden sind.“
Miriam Meckel, Publizistin und Gründungsverlegerin der digitalen Bildungsinitiative ada, sagt: „Besonders fasziniert hat mich das Rieseninteresse, das taiwanesische Leserinnen und Leser deutschen Büchern entgegenbringen, egal ob Literatur oder Sachbuch. Ich hatte rund um meine Lesungen wirklich spannende Diskussionen über Populismus, Fake News oder die Frage, wie künstliche Intelligenz unser Leben verändert“.
„Ich habe hier auf der Messe zum ersten Mal Leserinnen und Leser aus Taiwan getroffen, das war teilweise sehr berührend. Repräsentativ war eine ältere Frau, die erzählte, dass meine Bücher ihr die Wahrheit sagen würden. Ich fand diesen Satz erstaunlich. Ich versuche ja, sehr komplizierte Sachen sehr einfach auszudrücken. Und das scheint den Menschen zu gefallen“, sagte Ferdinand von Schirach. Auch in Taiwan ist Ferdinand von Schirach ein Bestsellerautor: Sechs seiner Bücher wurden für den taiwanesischen Markt übersetzt und verkauften sich insgesamt 120.000 Mal. Von Schirachs taiwanesischer Verleger, Phil Chien von Prophet Press, einem Imprint der Eurasian Publishing Group, sagte: „Ferdinand von Schirach ist einer unserer gefragtesten Autoren. Wir erhalten häufig E-Mails von Leser*innen, die anfragen, ob er nach Taiwan kommt. Sein Auftritt hier war eine Belohnung für seine Fans.“
Gesprächspartner*innen der deutschen Autor*innen waren in Taiwan sehr bekannte Schriftsteller*innen und Journalist*innen: So traf Stephan Thome auf Ming-yi Wu, dessen Roman The Stolen Bicycle es auf die Shortlist des internationalen Man Booker Prize (2018) geschafft hatte; beide Schriftsteller haben historische Stoffe literarisch verarbeitet. Der Jurist und Redakteur der Süddeutschen Zeitung, Ronen Steinke, dessen Biografie über Fritz Bauer die Grundlage für die Verfilmung DER STAAT GEGEN FRITZ BAUER war, unterhielt sich mit dem Autor und Korrespondenten Yu-li Lin über Vergangenheitsbewältigung. Dr. Regina Bittner, stellvertretende Direktorin der Stiftung Bauhaus Dessau, untersuchte im Gespräch mit dem Architekturprofessor Weng-chi Wang ostasiatische Einflüsse auf das Bauhaus. Regina Bittner sagte: „Das Bauhaus hatte immer eine internationale Reichweite und es gab viele Bezugspunkte zwischen dem Bauhaus, der Avantgarde und fernöstlichen Strömungen. Der deutsche Gastlandauftritt in Taipei bot eine sehr gute Gelegenheit, geistige Verwandtschaften und wechselseitige historische Inspirationen zwischen dem Bauhaus und kulturellen Bewegungen in Ostasien zu erkunden.“
Die Konzeption, Planung und Organisation der Ehrengastpräsentation „German Stories“ erfolgte in enger Abstimmung der Frankfurter Buchmesse mit dem Goethe-Institut Taipei sowie dem Deutschen Institut Taipei. Zusätzlich stimmten sich die Partner eng mit der Taipei Book Fair Foundation ab, der Veranstalterin der Messe, sowie mit Verlagen und Agenturen vor Ort. Der Auftritt wurde mit finanziellen Mitteln des Auswärtigen Amtes durchgeführt. Kooperationspartner des Gastlandauftrittes waren die Deutsche Welle und die Stiftung Bauhaus Dessau.
„Uns waren bei der Planung dieser Präsentation drei übergreifende Themen wichtig: Wir wollten Dialog und Austausch zwischen den deutschen Autor*innen und taiwanesischen Autor*innen und Leser*innen ermöglichen. Wir wollten in Diskussionen mehr erfahren über Themen und Phänomene, die unsere Gesellschaften jeweils beschäftigen. Unser Ziel mit der offenen, einladenden Standgestaltung war es, ein Angebot zu schaffen, das neugierig macht auf Deutschland, Anregungen bietet und informiert. Und schließlich war uns das Spielerische wichtig: Die Besucher*innen sollten selbst kreativ werden und sich einbringen – und dabei Spaß haben. Wir haben uns im Vorfeld intensiv mit den taiwanesischen Partnern ausgetauscht und stellen jetzt fest, dass wir die richtigen Themen gesetzt und das Publikum hier auf der TIBE damit erreicht haben“, sagt Bärbel Becker, Leiterin Internationale Projekte bei der Frankfurter Buchmesse. Am deutschen Gemeinschaftsstand waren über 600 Bücher aus insgesamt acht Themenbereichen ausgestellt.
Mitmachaktion „Denk ich an Deutschland“ und das Bauhaus zum ausprobieren
Ein beliebtes interaktives Element am Stand waren drei Kostüme, die frei nach Entwürfen von Oskar Schlemmers „Triadischem Ballet“ vom Frankfurter Sozialunternehmen Stitch by Stitch angefertigt wurden. Besucher*innen des Standes konnten in die Nachbildungen der Oskar-Schlemmer-Kostüme schlüpfen und auf diese Weise die experimentelle Beschäftigung des Bauhauses mit Fragen nach der Vermessbarkeit und Rationalisierung des menschlichen Körpers spielerisch nachempfinden. Darüber hinaus konnten Besucher*innen ihre Vorstellungen von Deutschland festhalten – via Schreibmaschine und Stempel.
Große Nachfrage nach deutschen Büchern
37 Verlage waren am deutschen Gemeinschaftsstand vertreten, darunter 14 Verlage aus dem Bereich Kinder- und Jugendbuch. 15 Verlage hatten Mitarbeiter*innen nach Taipei entsendet. Die nach Taiwan gereisten deutschen Rechte- und Lizenzhändler waren mit den Geschäften am deutschen Stand zufrieden: „Der deutsche Ehrengastauftritt auf der Buchmesse in Taipei mit seinem besucher*innen- und arbeitsfreundlichem neuen Standkonzept war ein hervorragender Ort zur Vertiefung unserer zahlreichen Kontakte zur taiwanischen Verlagslandschaft sowie zum Aufbau neuer strategischer Partnerschaften für unsere Autor*innen in Taiwan und der gesamten Region. Ihre Werke werden auch zukünftig einen festen Platz in den Programmen der taiwanischen Verlage haben. Die Teilnahme an der TIBE hat hierzu einen wichtigen Beitrag geleistet“, sagte Christoph Hassenzahl, Rights und Foreign Rights Manager beim Suhrkamp Verlag.